Leben im Donut

Wie kann Wirtschaft in der Praxis mit Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit verbunden werden? Amsterdam macht es vor und wendet als erste Stadt das Wirtschaftsmodell der Donut-Ökonomie an. Das Modell wurde im April 2018 von der Wirtschaftswissenschaftlerin und Oxford-Professorin Kate Raworth vorgestellt und stellt einen Lösungsansatz für die Probleme des aktuellen primär von Wachstum und Kapitalismus geprägten Wirtschaftssystems dar. Das Donut-Modell weist nach Raworth „in eine Zukunft, in der die Bedürfnisse jedes Menschen befriedigt werden, während zugleich die lebendige Welt geschützt wird, von der wir alle abhängig sind.“ Es orientiert sich dabei sowohl an dem Modell der Planetaren Grenzen von Johan Rockström als auch an den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung und basiert auf der Existenz planetarer und sozialer Grenzen. Dabei bietet nur die Berücksichtigung dieser Grenzen einen sicheren und gerechten Handlungsraum für die menschliche Zivilisation.

Der Donut steht bei der Donut-Ökonomie sinnbildlich für die Gesellschaft und ihre wirtschaftlichen Grenzen. Der äußere Ring des Donuts symbolisiert die „ökologische Decke“, die natürlichen Begrenzungen wie z. B. Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt oder Landnutzungsänderungen, bei deren Überschreitung es zu Zerstörungen der natürlichen Lebensgrundlagen kommt. Die roten Keile, die über die ökologische Decke hinausragen, veranschaulichen dabei das Überschießen über die planetaren Grenzen. Der innere Ring steht für das „gesellschaftliche Fundament“, das all das Lebensnotwendige beinhaltet, was jedem Menschen zustehen sollte wie z. B. Gesundheit, Bildung und Wasser. Die dunklen Keile unterhalb dieses Fundaments stellen dar, in welchem Ausmaß den Menschen weltweit die elementaren Lebensgrundlagen vorenthalten werden. Einen „sicheren und gerechten Raum für die Menschheit“ gibt es nur im Donut selbst, zwischen den ökologischen Grenzen und den gesellschaftlichen Mindeststandards. Doch wie kann solch ein Leben im Donut aussehen?

Im April 2020, mitten in der ersten Corona-Welle, verkündet die Stadt Amsterdam, dass sie mithilfe des „Donut-Modells“ eine soziale Kreislaufwirtschaft gestalten möchte. Man werde die Corona-Krise nutzen, um aus dem heutigen Produktions- und Konsummuster auszusteigen und der Klimakrise ein konkretes Programm entgegenzusetzen, erklärte die Vizebürgermeisterin Marieke van Doorninck. Unser gegenwärtiges Verhalten sei manchmal destruktiv, erläutert sie. Im Moment werfen wir Produkte weg und verbrennen sie, obwohl sie wertvolle Rohstoffe enthalten. “Angesichts der Tatsache, dass die Materialien in der Welt begrenzt und knapp sind, ist das unentschuldbar.” In Zusammenarbeit mit Raworth entwickelte Amsterdam daher ein Konzept, welches u. a. beinhaltet, die Energiegewinnung auf Solarstrom und Windkraft umzustellen und den CO2-Ausstoß entscheidend zu senken. Außerdem sollen möglichst nur noch recycelte Rohstoffe zum Einsatz kommen, und zwar ab 2030 zu 50 und ab 2050 sogar zu 100 Prozent.

Laut Marieke van Doorninck habe man festgestellt, dass sich sehr viele Amsterdamer ein solches neues Wirtschaftsmodell wünschen. In der Bevölkerung scheint Optimismus vorzuherrschen, dass die Einführung der Kreislaufwirtschaft gelingen kann. Dementsprechend sind bereits einige Projekte und Initiativen gestartet worden: So treibt zum Beispiel der Chemiker Koos Schenk ein Verfahren zum Recycling von Zement voran, denn bei dessen konventioneller Herstellung entstehen CO2-Emissionen, die in etwa dreimal denen des weltweiten Flugverkehrs entsprechen. Darüber hinaus setzt eine Wohnungseigentümergemeinschaft auf nachhaltige Wohnkonzepte und baut klimaneutrale Hausboote, die sich selbst mit Energie versorgen.

Zugleich setzt eine Wissenschaftlerin den platzsparenden Nahrungsmittelanbau mitten in der Stadt um. In sogenannten „Food Forrests“ wachsen hier auf engstem Raum Obst und Gemüse. Zusätzlich leisten diese Gärten einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt. Neben diesen wichtigen Projekten sind außerdem Änderungen im Steuersystem angedacht: Die Steuern für Rohstoffe sollen erhöht werden, während dagegen die Abgaben auf Löhne sinken. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Waren zu reparieren, statt neu zu produzieren. Inzwischen haben sich Städte wie Kopenhagen, Philadelphia und Portland angeschlossen und planen ebenfalls, eine am Donut-Prinzip orientierten Ökonomie einzuführen.

Weitere Informationen unter:

https://utopia.de/ratgeber/donut-oekonomie-das-steckt-hinter-dem-konzept/

https://www.fluter.de/donut-oekonomie-amsterdam-wirtschaft

https://neuezeit.at/donut-oekonomie-kate-raworth-amsterdam/

https://praxistipps.focus.de/donut-oekonomie-wirtschaftsmodell-einfach-erklaert_108475